Privat KT-Versicherte sehen sich im Falle einer 2. Erkrankung innerhalb von 12 Monaten in der Rolle eines Glücksspielers.
Ob und wieviel KT-Leistung gewährt wird, unterliegt dem Zufallsprinzip:
Versicherte, die einen privaten Krankentagegeldtarif abgeschlossen haben, müssen bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit innerhalb von 12 Monaten mit erheblichen Kürzungen ihrer versicherten Krankentagegeldleistungen rechnen. Bei gravierenden Fällen sogar bis auf null. Die Vertragsbedingungen sind diesbezüglich ausnahmslos mangelhaft oder ungenügend.
Das Problem: Nach den Vertragsbedingungen der privaten Krankentagegeldversicherung ist marktweit maximal das in den letzten 12 Monaten aus der beruflichen Tätigkeit herrührende Nettoeinkommen versicherbar. Was konkret dazu zählt, ist unklar.
Im Leistungsfall kann der PKV-Versicherer – trotz vorangegangener Beitragszahlung – das versicherte Krankentagegeld auch während des Leistungsfalls herabsetzen, wenn das Nettoeinkommen aus beruflicher Tätigkeit in den letzten 12 Monaten entsprechend niedriger als das versicherte Krankentagegeld war. Das ist dann der Fall, wenn Versicherte – wie beispielsweise verstärkt während der Corona-Pandemie – innerhalb der letzten 12 Monate bereits einmal arbeitsunfähig waren. In dieser Zeit erhaltene Lohnfortzahlung oder Krankentagegeld zählen vertragsgemäß nicht als Nettoeinkommen aus beruflicher Tätigkeit und können bei der Ermittlung des im wiederholten Krankheitsfall zu zahlenden Krankentagegeldes vertragsgemäß abgezogen werden. Im Zweifel bis auf „Null“.
PremiumCircle hat 2022 die Vertragswerke von 28 PKV-Versicherern (zusammen mit einem Marktanteil von 99,40% bezogen auf die Anzahl der Versicherten) im Hinblick auf die vertraglich garantierten Leistungen (MB/KT 2009 § 4 Abs. 4 und § 4 Abs. 2 bzw. unternehmensindividuelle Tarifbedingungen) analysiert und im Schulnotensystem mit „sehr gut“, „gut“, „mangelhaft“ und „ungenügend“ bewertet.
Zusätzlich wurden alle 28 Unternehmen mit einem Fragenkatalog (4 Fragen) zu ihrer diesbezüglichen Leistungspraxis befragt. Diese wurden von 23 PKV-Versicherern (Marktanteil 83,90%) beantwortet. 3 PKV-Versicherer (Marktanteil 7,10%) haben nicht geantwortet und 2 PKV-Versicherer (Marktanteil 8,40%) haben ausdrücklich geäußert, nicht an der Studie teilnehmen zu wollen. Die Bewertung der Antworten erfolgte ebenso im Schulnotensystem.
Die Analyse der vertraglich garantierten Leistungen ergab, dass die Vertragsbedingungen – im Falle einer zweiten Arbeitsunfähigkeit innerhalb von 12 Monaten – bei 21 PKV-Versicherern (70,5% Marktanteil) als „mangelhaft“ und bei 7 (Marktanteil 27,5%) gar als „ungenügend“ einzustufen sind.
Bezogen auf die tatsächliche aktuelle Leistungspraxis wurden die Antworten der teilnehmenden Versicherer ausgewertet. 12 PKV-Unternehmen (Marktanteil 51,10%) erhalten die Bewertung „sehr gut“, 5 (Marktanteil 10,8%) „gut“, 5 (Marktanteil 18,3%) „mangelhaft“ und 1 (Marktanteil 3,7 %) „ungenügend“.
Ergebnis: Unsere Studie zeigt, dass PKV-Versicherte in der Krankentagegeldversicherung im Hinblick auf die Höhe ihrer Leistung im Falle einer Arbeitsunfähigkeit keine vertragliche Klarheit haben. Die Vertragsklauseln gemäß oder in Anlehnung an den § 4 MB/KT 2009 werden im Hinblick auf eine 2. Arbeitsunfähigkeit innerhalb von 12 Monaten von den PKV-Versicherern unternehmensindividuell nach Belieben ausgelegt und interpretiert. Für Versicherte ein existenzielles Glücksspiel, das von den Versicherern selbst durch Überarbeitung der Vertragsbedingungen oder vom Gesetzgeber beendet werden muss.